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Veröffentlicht am Freitag 1. März 2013 14:28
MES goes Automation: MES D.A.CH Verband auf der SPS IPC Drives

Industrie 4.0 braucht MES-Systeme – Experten sprechen über Industrie 4.0

Das zukunftsorientierte Konzept Industrie 4.0 hat mittlerweile nicht nur in den fertigungsnahen Fachmedien an Bedeutung gewonnen. In einem Expertengespräch erörterten Dr.-Ing. Olaf Sauer, Stellvertreter des Institutsleiters am Fraunhofer IOSB, und Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti, Geschäftsführer der MPDV Mikrolab GmbH, die Relevanz von Industrie 4.0 für den MES-Markt (Manufacturing Execution System).

Warum Industrie 4.0?

Basierend auf einer Studie des BMBF definierte Prof. Dr. Manfred Broy von der Technischen Universität München, die Bezeichnung „Cyber Physical Systems“ (CPS). Treiber für diese CPS sollten vier Felder sein: Mobilität, Gesundheit, Energie und Produktion. Der für MES relevante Bereich Produktion wurde relativ bald plakativ in „Die vierte industrielle Revolution“ umbenannt. Um es kurz und prägnanter zu machen nannte man das Thema von nun an „Industrie 4.0“.

Trotz vielschichtiger Diskussionen zu „Industrie 4.0“ sind noch wenige klare Anforderungen an MES-Systeme erkennbar. Die bereits vorhandenen Ansätze müssen erst einmal miteinander abgeglichen werden. Klar ist bereits, dass MES-Systeme eine moderne Produktion unterstützen werden – sie sind sozusagen die Informationsdrehscheibe.

Informationsdrehscheibe MES

Die Kommunikation in der Fertigung – und zwar sowohl vom ERP zur Automatisierungsebene als auch zwischen den Bereichen Fertigung, Logistik, Personal und Qualität – wird bereits heute in Form der vertikalen und horizontalen Integration von MES-Anwendungen übernommen. Jürgen Kletti stellte fest: „Die dadurch erreichte Transparenz in der Produktion ist eine wichtige Grundlage, wenn nicht sogar der Treiber für Industrie 4.0.“ Von der dezentralen Kommunikation in Echtzeit ist es nicht mehr weit bis zu intelligenten Werkstücken. Erste Ansätze dafür kann man in der Automobilbranche schon erkennen – hier trägt das Werkstück die Auftragsdaten auf einem Speichermedium mit sich.

MES-Systeme sind bereits ein erster Schritt in Richtung Dezentralisierung. Es werden nicht mehr alle Arbeitsschritte in der Arbeitsvorbereitung geplant sondern an verschiedenen Stellen – und das anhand von Daten, die über die komplette Fertigung hinweg erfasst und nach Bedarf verdichtet werden.

Standardisierte Maschinenanbindung

Wichtig dabei sind jedoch die Interoperabilität und eine durchgängige intelligente Kommunikation. Gemeint ist die Standardisierung der Kommunikation zwischen den einzelnen Anlagenkomponenten, Maschinen, Materialflusssystemen, Werkstücken und sonstigen Systemen. Dazu müssen die Hersteller von intelligenten Systemen erkennen, dass proprietäre Protokolle und Schnittstellen langfristig Nachteile gegenüber offenen Standards haben.

Mit UMCM (Universal Machine Connectivity for MES) geht MPDV bereits in die Richtung einer standardisierten Kommunikation. Ähnlich wie bei USB soll damit eine einfache und unkomplizierte Anbindung von Maschinen an ein MES möglich sein – quasi „Plug & Work“. Das stärkt die Rolle der MES-Anwendung als Informationsdrehscheibe. Hier laufen alle Daten zusammen und werden verdichtet.

Kommunikation und Synchronisation

Trotz aller sinnvollen Dezentralisierung bietet es sich an, MES-Systeme als zentrale Instanz, z.B. auch in der Cloud zu betreiben und die MES-Funktionen quasi als Services zur Verfügung zu stellen.

Auch das Zusammenführen einzelner Bauteile zu einer Baugruppe bedarf einer übergeordneten Instanz, die für Synchronisation sorgt. An den Grenzen eines Unternehmens, z.B. an der Schnittstelle zum Vorlieferanten ist es außerdem wichtig, dass relevante Daten zentral vorgehalten und übergeben werden.

In einem dezentral organisierten System darf keine Anarchie herrschen. Es muss eine Instanz geben, die für Regeln sorgt und auch Verantwortung übernehmen bzw. eingreifen kann, wenn die autonom agierenden Werkstücke einmal nicht zu einer Lösung von Konflikten finden. Olaf Sauer schlussfolgerte: „Das MES wird bei aller Dezentralisierung eine zentrale Rolle einnehmen.“

Woran Jürgen Kletti anknüpfte: „Um die Grundlage für Cyber Physikal Systems zu legen brauchen wir Transparenz, Kommunikation und Interoperabilität. Ein MES bietet all dies durch die vertikale und horizontale Integration. Somit ist das MES bereits der erste Schritt in Richtung Industrie 4.0.“

MES-Aufgaben nach VDI 5600

Um weder die Maschinen noch die Mitarbeiter mit Informationen zu überfluten und damit zu überfordern ist eine Art rollenbasierte Informationsdarstellung nötig. Die VDI Richtlinie 5600 beschreibt dies in Form von zentralen Aufgaben eines MES. Dabei kann die horizontale Integration – also der direkte und unmittelbare Austausch von Daten zwischen den einzelnen Anwendungen aus den Bereichen Fertigung, Personal und Qualität – nur über eine zentrale Datenbasis erfolgen. Anders wäre die Forderung nach Echtzeitfähigkeit nicht ausreichend sichergestellt. Die Verfügbarkeit von aussagekräftigen und zeitnah berechneten Kennzahlen ist für ein übergreifendes Fertigungsmanagement enorm wichtig, da darauf basierend Entscheidungen im Produktionsprozess getroffen werden. Mit vertikalen Insellösungen ist das kaum zu schaffen.

Am Beispiel HYDRA kann man sehr schön sehen, wie die einzelnen Module die Aufgaben der VDI 5600 erfüllen und dabei ineinander greifen. Dazu ist kürzlich auch das „MES-Kompendium“ im Springer Vieweg Verlag erschienen, welches den Funktionsumfang der einzelnen MES-Module praxisnah beschreibt.

Mobile MES-Komponenten

Im Zuge der zunehmenden Nutzung mobiler Endgeräte, z.B. Tablet-PCs oder SmartPhones, steigt den Wunsch nach einem ortsunabhängigen Zugriff auf Produktionsdaten. Die Herausforderung besteht darin, die Daten auf jedem beliebigen Endgerät auch so darzustellen, dass man damit arbeiten kann. Hier müssen MES-Systeme künftig ihre Flexibilität beweisen.

Im Rahmen des Zukunftskonzepts MES 4.0 arbeitet MPDV bereits an der universellen Nutzung von Endgeräten aller Art. Ziel ist es, dem Anwender die angeforderten Daten auf jedem Gerät in der jeweils passenden Form darzustellen. Auch die Nutzung verschiedener Devices zur Datenerfassung steht hierbei im Fokus. Die zentrale Datenhaltung wird somit ein wichtiger Bestandteil, der die Echtzeitfähigkeit sicherstellt. Und genau deshalb sind MES-Systeme ein wichtiges Element für Industrie 4.0.

Im Zuge der stetigen Virtualisierung von Rechenpower und Diensten wird der Service-orientierte Ansatz immer wichtiger. Irgendwann wird es nicht mehr von Interesse sein, woher die Daten und Dienste kommen, sondern nur noch, dass die Informationen zuverlässig und in Echtzeit zur Verfügung stehen, so dass nach Bedarf angemessen und zeitnah darauf reagiert werden kann.

Fazit

Olaf Sauer fasste zusammen: „Bei allen Visionen – der Mensch sollte im Zweifel aber immer die letzte Entscheidung behalten – egal, wie intelligent die Systeme in der Produktion auch werden.“

Kletti: „Transparenz in der Produktion ist eine wichtige Grundlage, wenn nicht sogar der Treiber für Industrie 4.0.“

Sauer: „Das MES wird bei aller Dezentralisierung eine wichtige Rolle einnehmen.“

Kletti: „Um die Grundlage für Cyber Physikal Systems zu legen brauchen wir Transparenz, Kommunikation und Interoperabilität.“

Sauer: „Bei allen Visionen – der Mensch sollte im Zweifel aber immer die letzte Entscheidung behalten – egal, wie intelligent die Systeme in der Produktion auch werden.“

 

Dr.-Ing. Olaf Sauer

Jahrgang 1963

Kurzer Werdegang:

  • Wirtschaftsingenieurwesen-Studium an der Universität Karlsruhe
  • Promotion am Fraunhofer Institut in Berlin
  • Diverse Tätigkeiten in Industrie und Beratung
  • Seit 2004 bei Fraunhofer

Heutige Funktion:

Stellvertreter des Institutsleiters am Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB)

Beziehung zu Industrie 4.0:

  • Definition der Fabrik 4.0 als Teil von Industrie 4.0
  • Mitwirkung an der Entwicklung des Plug-and-Work-Konzepts zur einfachen Verbindung autonomer Systeme
  • Betrieb von Industrie 4.0-Demonstratoren am Fraunhofer IOSB

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Kletti

Jahrgang 1948

Kurzer Werdegang:

  • Elektrotechnik Studium an der Universität Karlsruhe
  • Promotion
  • 1977 Gründung der MPDV Mikrolab GmbH

Heutige Funktion:
Gesellschafter und Geschäftsführer der MPDV Mikrolab GmbH

Beziehung zu Industrie 4.0:

  • Umsetzung der Anforderungen aus Industrie 4.0 mit MES-Lösungen
  • Definition des Zukunftskonzepts MES 4.0
  • Mitwirkung in Industrie 4.0-relevanten Verbänden

Manufacturing Execution Systeme (MES) machen die Produktion effizienter und steigern die Produktivität. Daten aus der Produktion, aber auch aus den Bereichen Qualität und Personal werden erfasst, ausgewertet und quasi in Echtzeit angezeigt. So können die verantwortlichen Mitarbeiter im Produktionsalltag rasch auf Ungeplantes reagieren und Potenziale für die langfristige Steigerung der Wirtschaftlichkeit erschließen.